Mobilitätsdezernent Majer: „Fahrgäste wissen, was einen attraktiven Nahverkehr ausmacht“
„Die letzten zwei Jahre waren für den Fahrgastbeirat die herausforderndsten, die ich bisher erlebt habe“ sagt Michael Schmidt vom dreiköpfigen Sprecherteam des Fahrgastbeirats. Schmidt ist seit Gründung des Gremiums im Jahr 1998 dabei. „In einer Zeit, in der auch in Frankfurt die Verkehrswende Fahrt aufnimmt, coronabedingt nur eingeschränkt mitwirken zu können, fällt schwer“.
Im Rückblick ist das Sprecherteam Karin Ruf, Michael Schmidt und Harald Wagner dann doch erstaunt, was in der zurückliegenden Arbeitsperiode, seit 2018, alles bewegt wurde: Fortschritte erkennt das Sprecherteam zuletzt besonders bei der Vergabe des Bündels B (Frankfurter Westen) bezüglich der Personalqualifikation. Bei dem neuen Straßenbahnwagen (Typ T) werden seine Ideen besonders in Bezug auf die Haltemöglichkeiten berücksichtigt und in das traffiQ-Projekt für den kundenfreundlichen Bus war es intensiv eingebunden. Mehrfach wurde bei Überlegungen zur Fahrgastinformation die Expertise des Beirats eingeholt. Mit Stolz schaut das Sprecherteam auf die rasante Entwicklung des bundesweiten Netzwerks der Fahrgastbeiräte, das 2015 in Frankfurt initiiert wurde. Intensiv, mit rund 100 Anregungen, hat das Gremium am Nahverkehrsplan mitgearbeitet.
Beiratssprecher Harald Wagner stellt fest: „Besonders freut uns, dass wir inzwischen als kompetente Ansprechpartner akzeptiert sind und unsere Leitgedanken vor allem bei traffiQ, aber zunehmend auch bei den Verkehrsunternehmen so weit durchgedrungen sind, dass wir bei konkreten Umsetzungen oft nur noch im Kleinen Änderungswünsche haben. Manches wird nicht so gemacht, wie wir es uns ausgedacht haben, aber die Richtung stimmt zumeist.“
Karin Ruf, dritte im Team, wurde 2018 erstmals in den Fahrgastbeirat gelost. „Ich konnte mich dank der Hilfe der erfahrenen Mitglieder gut in die neue Rolle einfinden und erlebe in diesem Gremium eine sehr gute Zusammenarbeit von Oldies und Youngstern. Die Zusammensetzung des Gremiums, das aus institutionellen Vertretern und interessierten Fahrgästen besteht, sorgt für einen guten Mix aus Erfahrung und neuen Ideen. Corona hat unsere Arbeit leider stark beeinträchtigt und zum Teil zum Erliegen gebracht“.
Stadtrat Stefan Majer, Frankfurts Dezernent für Mobilität und Gesundheit, unterstreicht die Rolle des Fahrgastbeirats bei der notwendigen Verkehrswende: „Alle sollen frei entscheiden können, welches Verkehrsmittel sie nutzen wollen. Voraussetzung hierfür ist der gezielte Ausbau des attraktiven Nahverkehrs. Dass der Fahrgastbeirat uns hier fordert, ist richtig – schließlich sind es die Fahrgäste, die wissen, was einen attraktiven Nahverkehr ausmacht.“
Der Geschäftsführer von traffiQ, Dr.-Ing. Tom Reinhold, ist dankbar für das große Engagement der Beiratsmitglieder. „Denn es ist nicht selbstverständlich, sich ehrenamtlich für eine Sache zu engagieren, deren Erfolge häufig erst langfristig zu erkennen sind – die Mitglieder des Fahrgastbeirats tragen zu einem attraktiveren Nahverkehr und damit zu einer lebenswerteren, umweltfreundlicheren Stadt Frankfurt am Main bei“.
Majer und Reinhold freut daher das große Interesse an der Mitarbeit im Beirat. Etwa 100 Menschen haben sich um die elf wieder zu besetzenden Plätze für die neue Arbeitsperiode beworben – darunter auch fast all‘ diejenigen, die bereits in den letzten vier Jahren dabei waren.
Personalqualifikation ist Kundendienstqualität
Seit langem verfolgt der Fahrgastbeirat Ansätze, die Qualifikation des Fahrpersonals zu verbessern. „In der zurückliegenden Arbeitsperiode sehen wir nun wichtige Schritte in die richtige Richtung“, zeigt sich Harald Wagner zufrieden. Ein erster Erfolg war die Verpflichtung der Verkehrsunternehmen, RMV-Fachtrainer auszubilden und für die Personalweiterbildung im Unternehmen einzusetzen. „Bei der Vergabe des Buslinienbündels Frankfurter Westen im November 2021 hat traffiQ neben dem Angebotspreis auch mehrere Qualitätsaspekte als Zuschlagskriterium einbezogen: Alle Bieter mussten als Teil des Angebots Konzepte zur Sicherstellung der Betriebsqualität, Elektrifizierung, fahrerbezogener Störfallkommunikation, Akquise und Qualifikation von Personal und Qualitätssicherung vor Betriebsstart und während der gesamten Laufzeit von zehn Jahren vorlegen– das ist ein guter Schritt“, so der vom DGB entsandte Wagner. Das Sprecherteam hofft, dass damit eine gute Aus- und Fortbildung einhergeht, ebenso wie erträgliche Arbeit(-szeiten) und existenzsichernde Vergütungen des Fahrpersonals.
Kernthema des Beirats: Die Fahrzeugausstattung
Die kundenfreundliche Ausstattung der Frankfurter Bahnen und Busse ist seit vielen Jahren ein Schwerpunktthema des Fahrgastbeirats. Hier hat er in den vergangenen Jahren den größten Einfluss nehmen können. „Wir begrüßen sehr, dass das Know-how des Fahrgastbeirats inzwischen konsequent in die Diskussion über die Ausstattung neuer Fahrzeuge einfließt,“ erklärt Michael Schmidt.
Intensiv widmete sich der Beirat der Ausstattung des neuen Straßenbahnwagens vom Typ T der VGF. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei stets den Bedürfnissen von Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Besonders freut das Sprecherteam, dass die VGF der Anregung für mehr Haltemöglichkeiten im Fahrzeug ganz unkompliziert entsprochen hat.
Leider ließ sich eine Beteiligung des Fahrgastbeirats an der Abnahme neuer Busse, von denen vor allem im Dezember 2020 viele in Einsatz kamen, coronabedingt nicht realisieren. „Wir konnten darauf vertrauen, dass die mit uns entwickelten Standards auch so weit wie möglich umgesetzt wurden“, sagt Karin Ruf. „Es ist dann wie eine Belohnung, im neuen Bus zu sitzen und die Vorschläge des Fahrgastbeirats in der Ausstattung zu entdecken.“
Auch in das traffiQ-Fahrzeugprojekt „Der kundenfreundliche Bus“ wurde der Beirat von Anbeginn einbezogen und konnte seine Ideen einbringen. „Wir haben schon vor Jahren diskutiert, wie die Fahrzeuge komfortabler und einladender gestaltet werden können“, stellt Michael Schmidt fest. „Es freut mich persönlich, dass traffiQ diesen Weg nun konsequent verfolgt“.
Fahrgastinformation ist der Schlüssel
Im Jahr 2017 verabschiedete der Fahrgastbeirat sein Positionspapier „Baustellen und Ersatzverkehre im Frankfurter Nahverkehr“. Vorangegangen waren ausführliche Gespräche mit den Zuständigen bei Stadt, traffiQ und der VGF.
„Bei der Sperrung der A-Strecke im Sommer 2019 konnten wir mit Freude beobachten, dass eine Vielzahl unserer Vorschläge umgesetzt wurde: Ein großräumiges Umleitungskonzept, eine umfassende Kundeninformation, schlüssige Transportketten und auch noch kurzfristige Ergänzungen,“ berichtet Michael Schmidt: „Auch traffiQ konnte feststellen, dass es trotz dieser riesigen Einschränkung kaum zu Kundenbeschwerden kam“, ergänzt Karin Ruf. Das Sprecherteam wünscht sich, dass diese kundenfreundliche und ganzheitliche Planung bei Baustellen und Ersatzverkehren konsequent umgesetzt und weiter ausgebaut wird.
In den Jahren 2019 und 2020 diskutierte der Fahrgastbeirat zudem mit traffiQ und der VGF über das neue Konzept zur Wegeleitung in Stationen und über eine geeignete Zielbeschilderung bei geplanten Ersatzverkehren.
Keine Brechung der Linie 30 an der Friedberger Warte
Sehr deutlich hat sich der Fahrgastbeirat im Jahr 2019 in die Debatte eingemischt, ob die Buslinie 30 von Bad Vilbel kommend nur bis zur Friedberger Warte fahren sollte. In einem entsprechenden Beschluss, der sich an den Verkehrsdezernenten richtete, sprach er sich klar für eine Weiterführung der Buslinie 30 bis zum Hainer Weg aus. „Eine Brechung der Buslinie 30 an der Friedberger Warte hätte für viele Fahrgäste ein zusätzliches Umsteigen bedeutet, das ist nicht förderlich für die Attraktivität des Nahverkehrs,“ stellt Karin Ruf fest. Der Beirat plädierte in diesem Zusammenhang für einen deutlichen Ausbau des Nahverkehrs und forderte Nachhaltigkeit im ÖPNV durch Nutzung alternativer und emissionsfreier Antriebe in den Bussen.
Netzwerk der Fahrgastbeiräte
„Das bundesweite Netzwerk der Fahrgastbeiräte ist unsere Frankfurter Erfolgsstory“, findet Harald Wagner. In kleiner Besetzung mit Vertretern aus neun Beiräten in Frankfurt initiiert, entwickelt es sich konsequent weiter. Einen starken Schub verdankt das Netzwerk der mit der Corona-Pandemie einhergehenden Digitalisierung: Die Organisation von Online-Formaten erleichtert und intensiviert die Zusammenarbeit. Allein 2021 gab es zwei digitale Veranstaltungen, unter anderem mit Lars Wagner, Leiter Kommunikation des Verbandes Deutscher Verkehrsinternehmen. Auf der Herbsttagung ist Stuttgart 2021 konnten die Beiräte neben der Staatssekretärin im Verkehrsministerium Baden-Württemberg Elke Zimmer, MdL, die Geschäftsführer mehrerer Verkehrsorganisationen zum Meinungsaustausch begrüßen.
„Ich bin immer noch überrascht über die Dynamik dieses Netzwerks“, stellt Wagner fest. „In Stuttgart haben wir den nächsten Schritt zu einer festeren Organisationsstruktur getan und ich freue mich, dass mit Dr. Kristine Schaal, Vorsitzende von ProBahn Frankfurt, Frankfurt weiterhin in erster Reihe dabei ist.“ Harald Wagner, der das Netzwerk wesentlich mit aufgebaut hat, beendet nach zehn Jahren sein Engagement im Frankfurter Beirat und damit auch im Netzwerk.
Das Netzwerk der Fahrgastbeiräte legt den Schwerpunkt seiner Aktivitäten nicht auf die Außenwirkung, sondern auf die Unterstützung der einzelnen, ehrenamtlich tätigen Beiräte – also das Lernen voneinander und den Mehrwert, von den Erfahrungen der Kolleginnen und Kollegen zu profitieren.
Beteiligung am Nahverkehrsplan: ein Kraftakt
Der Fahrgastbeirat ist zwar gemäß Hessischem ÖPNV-Gesetz keiner der bei der Erstellung des Nahverkehrsplans (NVP) zu beteiligenden „Träger öffentlicher Belange“. traffiQ hat das Gremium jedoch gleichgestellt behandelt. Zwei arbeitsintensive Sitzungen konnten noch in Präsenz wahrgenommen werden, dann war auch für den Fahrgastbeirat „Homeoffice“ angesagt. In einem beachtlichen Kraftakt brachten die Mitglieder erstmals im schriftlichen Verfahren über 100 Anregungen ein, die von traffiQ bewertet und in einer Synopse der Stadtverordnetenversammlung vorgelegt wurden.
Die Arbeit am NVP war geprägt von Terminverschiebungen, hohem Zeitdruck, fehlender Diskussion untereinander und abschließend mit den Fachleuten von traffiQ, deren Bewertungen den Beirat natürlich nicht immer zufriedenstellen konnten. Auch eine politische Auseinandersetzung konnte nicht stattfinden, da die Kommunalpolitik den NVP noch in der alten Legislaturperiode verabschieden wollte. „Wir erkennen das Engagement von traffiQ an, den Fahrgastbeirat einzubinden und sind durchaus stolz auf unsere Leistung“, stellt Michael Schmidt fest. „Die pandemischen und politischen Umstände haben aber eine zufriedenstellende Auseinandersetzung mit dem Nahverkehrsplan stark behindert.“
Corona: Vieles kam zu kurz
Coronabedingt ist die Arbeit des Fahrgastbeirats in den Jahren 2020 und 2021 leider stark eingeschränkt gewesen. Die vorgesehenen Plenumssitzungen wurden, je nach pandemischer Lage, in Präsenz oder digital durchgeführt. „Seine Stärke entwickelt der Fahrgastbeirat in den Arbeitsgruppen, in denen mit Fachleuten diskutiert und Positionen erarbeitet werden“, erklärt Michael Schmidt. „Sie konnten aber aufgrund von Corona kaum stattfinden“.
Das Sprecherteam dankt traffiQ und der dort eingerichteten Geschäftsstelle Fahrgastbeirat aber für die umfangreiche Unterstützung und das deutliche Bemühen, den Beirat auch unter schwierigen Bedingungen auf dem Laufenden zu halten. „Gerade im bundesweiten Netzwerk mussten wir erfahren, wie oft Fahrgastbeiräte marginalisiert und nicht ernst genommen werden, teilweise schon von der Struktur her“, berichtet Karin Ruf. „Der Fahrgastbeirat Frankfurt hat hier wirklich einen guten Stand – er ist akzeptiert und seine Anregungen werden zwar nicht immer übernommen, aber sorgfältig geprüft und vielfach umgesetzt“, schließt Harald Wagner.
Auch die gelungene Veranstaltung zum 20-jährigen Bestehen des Fahrgastbeirats mit den Gastredner Volker Sparmann im Jahr 2018 stellt das Sprecherteam in diesen Zusammenhang; es sieht sie als Würdigung der langjährigen Arbeit des ehrenamtlichen Gremiums.
Mobilitätsdezernent Stefan Maier und traffiQ-Geschäftsführer Tom Reinhold danken dem Fahrgastbeirat für sein Engagement. „Wenn der Fahrgastbeirat in Frankfurt einen guten Stand hat, liegt das auch an ihm selbst: Er arbeitet kritisch und engagiert, ist aber realistisch und kompromissfähig. Mit dieser Haltung kommen wir gemeinsam im Interesse der Fahrgäste weiter“. Auch für die kommende Arbeitsperiode wird der Fahrgastbeirat, so Majer und Reinhold, für die Stadt und traffiQ ein wichtiger Ansprechpartner in Nahverkehrsfragen bleiben.