Mit einem Pferdeomnibus begann in Frankfurt die Geschichte des ÖPNV
Am 1. November 1840, vor 175 Jahren also, geht ein Pferdeomnibus auf die Strecke. Mit der ersten offiziell genehmigten Fahrt beginnt in Frankfurt das Zeitalter des planmäßigen Verkehrsbetriebs. Aus der privaten Initiative entwickelt sich ein dichtes Nahverkehrsnetz aus Straßenbahn, Bus sowie U- und S-Bahn. Rund 260 Millionen Fahrgäste sind in der Mainmetropole Jahr für Jahr „öffentlich“ unterwegs.
Frankfurt am Main (pia) Die Beschreibung aus dem Frankfurt zur Mitte des 19. Jahrhunderts liest sich, als sei sie gerade geschrieben worden: Die Stadt wächst. Weil Wohnungen Mangelware sind, sucht die Stadt Ausweichmöglichkeiten im Umland. Neue Viertel entstehen, viele Menschen ziehen in die Umgebung, zur Arbeit kommen sie jeden Tag in die Stadt. Die Pendler, auch wenn sie damals noch nicht so genannt wurden, wollten schnell und möglichst günstig von zuhause zur Arbeit und wieder zurückkommen – ein bezahlbares öffentliches Transportmittel sollte her. Sogar die Polizei erkannte die Notwendigkeit. Sie hielt „die Herstellung von Omnibusfahrten in der Stadt und in der Gemarkung... für an der Zeit und ein dringendes Bedürfnis“, um Zeit- und Geldverlust für diejenigen zu minimieren, die „geschäftlich und ökonomisch zum steten Besuche der Stadt deshalb genötigt“ seien. Die Ordnungshüter formulierten auch gleich Kriterien, die es zu erfüllen galt: Die Fahrgelegenheit hatte regelmäßig, mit kurzen Unterbrechungen und stets wiederkehrend zu sein, wie es in einem historischen Abriss der Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) zur Frankfurter Pferdebahn heißt. Die Kriterien haben überdauert – zügig, pünktlich und günstig, so wünschen sich Frankfurter und Pendler Busse und Bahnen bis heute.
Wie eine Postkutsche im Wilden Westen
Im 19. Jahrhundert galt zunächst der Pferdeomnibus als die Lösung, um das Transportproblem in- und außerhalb der wachsenden Stadt in den Griff zu bekommen. Anfang November 1840 wurde der erste Linien-Pferdeomnibus genehmigt. Drei dieser Gefährte der „Droschkenanstalt“, zu der sich mehrere Lohnkutscher zusammengeschlossen hatten, nahmen den Verkehr auf und begründeten damit den planmäßigen Nahverkehr in Frankfurt. Die großen Wagen wurden von zwei Pferden gezogen, der Kutscher saß wie bei den Postkutschen aus dem Wilden Westen weit oben auf dem Bock, auf dem Wagendach konnte Gepäck transportiert werden. Die Pioniere bedienten mit Erlaubnis der Behörden zunächst die Strecke von und zum Taunusbahnhof, der in der Nähe des heutigen Willy-Brandt-Platzes stand. Von diesem ersten Frankfurter Bahnhof gingen seit 1839 die Züge Richtung Wiesbaden ab. Später brachten die Omnibusse die Reisenden auch zu den beiden neben dem Taunusbahnhof gelegenen Bahnhöfen Main-Neckar und Main-Weser. Die gewünschte Verbindung für alle Bürger waren die Pferde-Omnibusse nicht. Nur Wohlhabende konnten sich die Fahrt leisten. Als mehr und mehr Kutscher in das Geschäft einstiegen, wurden die Touren zwar billiger, aber das Gerangel um Preise und Gäste verärgerte die Hotels, wie die VGF-Chronik berichtet. Die Hotels richteten eigene Linien ein – der Shuttle-Service war geboren.
Omnibusgesellschaft führt Liniensystem ein
Das Durcheinander endete 1863 mit Gründung der Frankfurter Omnibusgesellschaft (FOG), die ein Liniensystem und Kennzeichnungen für die Strecke einführte. Die Pferde der FOG zogen die Wagen quer durch die Stadt über den Main nach Sachsenhausen zum Offenbacher Bahnhof (Lokalbahnhof). Mit der auf Schienen rollenden Pferdebahn erhielten die Omnibusse ernsthafte Konkurrenz. 1871 erteilte die Stadt einem Brüsseler Unternehmen den Zuschlag für den Betrieb der Pferdestraßenbahn. Sie fuhr zuerst zwischen Bockenheim, Opernplatz und Hauptwache.
Stadt übernimmt Zügel
Im Lauf der Jahre nahm die Stadt die Zügel der Tramgesellschaft immer stärker in die Hand. Sie setzte Mitspracherecht bei der Konzession und der Verteilung des Gewinns durch und sicherte sich schließlich die Eigentums- und Nutzungsrechte an den Gleisen sowie eine Rückkaufoption mit dem Ziel, die durch die Industrialisierung immer lauter werdenden Forderungen nach einem öffentlichen Nahverkehr für alle Bürger umzusetzen. 1898 übernahm die Stadt die Trambahn. Sie machte sich an den Ausbau des Netzes. Die Pferde wurden durch elektrische Straßenbahnen ersetzt und gingen 1904 außer Dienst. Das Streckennetz erweiterte die Mainmetropole systematisch in die Stadteile, weil die Kommune von mehr Fahrgästen auch mehr Gewinn erwartete – von Defizit war damals keine Rede. Immerhin brachte die „Elektrische“ ihre Fahrgäste mit zwölf Stundenkilometern ans Ziel, mehr als 110 Jahre später fahren die U-Bahnen laut VGF im Schnitt 30 Stundenkilometer.
Über 80 Linien auf 800 Kilometern
Im 21. Jahrhundert liegt die Organisation des städtischen Nahverkehrs bei der städtischen Nahverkehrsgesellschaft traffiQ. Sie verantwortet 82 Straßenbahn-, U-Bahn und Buslinien auf einem Streckennetz, dass sich auf 800 Kilometern ober- und unterirdisch durch die Stadt schlängelt und ständig wächst – neue Quartiere wie der Riedberg, das Europaviertel und Gateway Gardens wollen genauso angebunden sein wie Sachsenhausen und Höchst im 19. Jahrhundert. Für die Stadt hat traffiQ die VGF mit dem Betrieb von U- und Straßenbahn - allein ihre Linien sind 230 Kilometer lang, das entspricht dem Umfang von Gran Canaria – und fünf Busunternehmen mit dem Betrieb der Buslinien beauftragt. Die VGF lässt auch den historischen Ebbelwei-Expreß rollen. Die Deutsche Bahn betreibt im Auftrag des RMV die S-Bahnen.
Zukunftsthema zügige Mobilität
Hauptwache und Konstablerwache sind die Knotenpunkte des Verkehrsnetzes geblieben. Hier nehmen nicht mehr nur Straßenbahnen ihre Fahrgäste auf, sondern auch Busse, S-Bahnen und U-Bahnen. Diese verkehren – mehr Stadtbahn als Untergrundbahn – auf weiten Strecken oberirdisch. Weil das so ist, werden die Frankfurter so schnell keine automatisch fahrenden Bahnen bekommen. „Die Wegstrecken müssten ohne kreuzenden Individualverkehr, etwa von Autos oder Fußgängern sein. Das sind sie in Frankfurt aber nicht“, erläutert Dana Fritz-Vietta von der VGF. Die Herausforderung der Zukunft heißt für sie zügige Mobilität. Carsharing, Rad, Bahn, Bus sollen so miteinander verbunden werden, dass Nutzer ohne Probleme die Verkehrsmittel wechseln und trotzdem schnell sowie umweltbewusst ans Ziel kommen können. traffiQ-Geschäftsführer Hans-Jörg von Berlepsch blickt in eine ähnliche Richtung: Soll der Nahverkehr in der Mainmetropole „in Zukunft seine Rolle wahren oder gar als stärkere Alternative zum motorisierten Individualverkehr entwickelt werden, geht das nicht ohne eine solide Finanzierung. Hier sind auch das Land und der Bund gefragt.“
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